Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar steht vor der Tür. Das richtet den Fokus neuerlich auf das Dauerthema technische Hilfsmittel im Fußball. Diese werden seit Jahren heiß diskutiert, die Einführung immer wieder auf die lange Bank geschoben. Doch spätestens seit der letzten Fußball-Weltmeisterschaft in Russland scheint der Zug in Richtung technische Unterstützung endgültig abgefahren zu sein.
Damals präsentierte die FIFA den Videoschiedsrichter, der mithelfen sollte, fehlerhafte Entscheidungen der Spielleiter zu vermeiden. Seither ist das System in vielen Ligen im Einsatz, die Fans haben sich zumeist daran gewöhnt. Angesichts dieses Erfolges hat sich der Fußball-Weltverband dazu entschlossen, weitere Schritte zu setzen.
Die FIFA treibt die Innovationen voran
Der internationale Fußball hat sich längst zu einem wesentlichen Bereich der Unterhaltungsindustrie entwickelt. Hier treffen Sport und Unterhaltung in Perfektion aufeinander. Dieser Trend wird durch die Stars noch befördert. Diese haben die Sportseiten der Berichterstattung verlassen und sind zu Persönlichkeiten herangereift, die auch die Gesellschafts- und Modeseiten der Medien beherrschen. Angesichts der ungeheuren Summen, die im internationalen Fußball kursieren, ist es wenig verwunderlich, dass die Verantwortlichen der großen Ligen menschliches Versagen so weit wie möglich ausschließen möchten.
Die Forcierung des Einsatzes technischer Hilfsmittel ist nur eine Folge dieser Entwicklung. Schließlich kann beispielsweise ein frühzeitiges Ausscheiden aus der UEFA-Champions League gravierende finanzielle Folgen für einen Top-Verein haben. Die kommende Fußball-Weltmeisterschaft bietet die ideale Möglichkeit, das neue halbautomatische Abseitssystem zu testen. Hier treffen Technik und menschliche Analyse aufeinander. Diese Kooperation aus Mensch und Maschine ist heute in vielen Bereichen des täglichen Lebens nicht mehr wegzudenken.
Daten bestimmen auch die Einschätzung der Sportwetten-Anbieter, wenn es darum geht, die Chancen eines Sportlers auf Erfolg festzulegen. Hier greifen die Buchmacher auf tagesaktuelle Leistungen zu und bestimmen die Formkurve, die entweder Erfolg oder Misserfolg verspricht. Daraus ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit, aus der die Buchmacher Quoten für ihre Sportwetten errechnen. Diese sind die Grundlage für den Erfolg des Geschäftsmodells, dementsprechend sorgfältig muss hier gearbeitet werden. Sorgfalt und Präzision erhofft sich auch die FIFA von ihrem neuen halbautomatischen Abseitssystem. Es soll für mehr Sicherheit bei den Entscheidungen am Platz sorgen und die unendlichen Diskussionen, ob Abseits ja oder nein, endlich reduzieren.
Die Neuerungen der WM in Katar
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar bedeutet nicht nur für die Spieler, sondern auch für die Fans eine große Umstellung. Erstmals findet das wichtigste Fußballturnier der Welt nicht im Sommer, sondern im Herbst des Jahres statt. Die vorherrschenden Temperaturen haben eine Verschiebung notwendig gemacht. Damit nicht genug, setzt das Veranstalter Land auf gekühlte Fußball-Stadien.
Sechs der insgesamt acht Spielstätten wurden extra für die Fußball-Weltmeisterschaft neu erbaut. Diese verfügen über Kühlanlagen, die bei Bedarf für angenehme Temperaturen auf dem Platz und den Rängen sorgen sollen. Die Energie dafür kommt von den Solaranlagen am Dach. So leistet Katar gleichzeitig einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Die Stadien selbst können bei Bedarf ohne großen Aufwand zurückgebaut werden. Ein Stadion wurde ausschließlich aus Containern gebaut, die nach der Fußball-Weltmeisterschaft wieder vollständig abgebaut und bei Bedarf an anderer Stelle neu errichtet werden können.
Der ungewohnte Termin im Herbst bringt allerdings den Terminplan der Ligen durcheinander. Daher haben sich viele Länder dazu entschlossen, eine längere Winterpause einzuplanen. Damit gibt man den Fußballern Zeit, sich vorzubereiten, das Turnier zu spielen und anschließend eine Erholungspause einzulegen.
So funktioniert die neue Abseits-Technologie
Doch zunächst gilt es in Katar die Wirksamkeit des halbautomatischen Abseitssystems zu testen. Dieses hat die FIFA bereits seit einiger Zeit in einem Probebetrieb laufen, jetzt folgt die Premiere. Insgesamt zwölf Kameras und ein Sensor im Ball sollen das „Problem Abseits“ endgültig beseitigen. Die FIFA erhofft sich von der Einführung nicht nur schnellere, sondern auch sicherere Entscheidungen. Der Ablauf wird ähnlich wie beim Videoschiedsrichter eine menschliche Komponente beinhalten.
Die 12 Tracking-Kameras werden unter dem Stadiondach angebracht. Sie verfolgen den Ball und insgesamt 29 Datenpunkte jedes einzelnen Spielers 50-mal pro Sekunde. So wird die jeweilige Position auf dem Spielfeld berechnet. Die Datenpunkte des Spielers umfassen seine Gliedmaßen und Extremitäten.
Im Inneren des Balls ist ein Sensor angebracht, der 500-mal pro Sekunde Daten an den Videobetriebsraum sendet. Die neue Technologie nutzt Künstliche Intelligenz, die alle Daten miteinander verknüpft und das mögliche Abseits erkennt. Das System schlägt eine Entscheidung vor, die danach von den Videoschiedsrichtern überprüft wird. Erst danach wird der Schiedsrichter am Platz informiert. Der Vorgang dauert nur wenige Sekunden.
Die halbautomatische Abseits-Technologie generiert eine 3D-Animation, die sämtliche Positionen der Gliedmaßen aller beteiligten Spieler im Moment der Ballabgabe zeigt. Diese Animation wird in Folge auch auf den Bildschirmen des Stadions und auf Wunsch der TV-Stationen auch am Fernseher angezeigt. Dies gibt den Zuschauern vor Ort und vor den Endgeräten die Möglichkeit, die Situation selbst bis ins letzte Detail zu erkennen und zu beurteilen. Mit den richtigen Grafiktools werden die Animationen auch auf iOS und Android das Erlebnis auf kleinen Bildschirmen informativ gestalten.
Die Ergebnisse und Erfahrungen aus der Premiere in Katar fließen in weitere Tests zur Feinabstimmung dieses Systems ein. Erst danach wird die FIFA einen globalen Standard definieren, der die Einführung der halbautomatischen Abseits-Technologie weltweit sicherstellen soll.
Standard in anderen Sportarten
Die technische Unterstützung gilt in anderen Sportarten schon seit vielen Jahren als Standard. Ob im Tennis oder in der Leichtathletik, hier vertrauen die Veranstalter auf die Genauigkeit der Technologie.
Jetzt hat der Einsatz technischer Hilfsmittel auch im Fußball deutlich an Boden gewonnen. Die FIFA versucht damit, den Druck aus den endlosen Diskussionen zu nehmen und minutenlange Diskussionen auf dem Spielfeld zu vermeiden. Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar wird zeigen, ob die Einführung der halbautomatischen Abseits-Technologie die Erwartungen erfüllen kann. Grundsätzlich ist jedoch klar, dass der Fußball in Zukunft verstärkt auf technische Unterstützung zurückgreifen wird. Die Innovationen von Katar werden sicherlich nicht die letzten sein.